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Buchtipps - Sachbuch

Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die bislang geltende Ordnung an ihr Ende gekommen ist. Herfried Münkler, Emeritus der Humboldt Universität für Politologie, zeigt in seiner Analyse, wo in Zukunft die Konfliktlinien verlaufen. Die USA seien nicht mehr bereit - und auch nicht mehr fähig, ihren Willen und ihre Wertvorstellungen global durchzusetzen. So bilde sich eine multipolare Weltordnung mit fünf Machtzentren heraus, mit USA und EU auf der einen, und China und Russland auf der anderen Seite, und Indien als Zünglein an der Waage.

Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und Professor für Soziale Arbeit in Frankfurt entwirrt das komplex, komplizierte Verhältnis des deutschen Staates und seiner Bürger zu Israel und dem Judentum: die politischen Debatten seien oft so aufgeheizt hierzulande, weil eine Nation von 80 Millionen Nahostexperten die israelische oder palästinensische Sicht mit aller Leidenschaft, aber oft ohne Kenntnis der Situation vor Ort unterstützten. Vor allem aber, da oft auch deutsche Schuld, deutsche Moral und deutsche Selbstentlastung indirekt mitverhandelt werden.

Und wieder hat Florian Illies ein wunderbares Buch geschrieben. Er nähert sich hier Caspar David Friedrich an und erzählt in seiner unvergleichlichen Episodenhaftigkeit von dem Maler, von seinen Verehrern, wie Walt Disney, der Bambi durch Friedrichs Landschaften hüpfen lässt, aber auch von denen, die Friedrich für altmodisch und verstaubt gehalten haben, wie zum Beispiel Goethe, der überhaupt nichts mit den Bildern anfangen konnte. Und dabei erzählt er auch ganz nonchalant einfach 250 Jahre deutsche Geschichte. Ein großartiges Lesevergnügen!

Maurer beschreibt unglaublich spannend und unterhaltsam seine Zeit vor und dann auf der ISS. Es beginnt mit dem knallharten Auswahlverfahren, dem Training in Höhlenlabyrinthen oder tief im Ozean bis hin zur Zeit an Bord der ISS mit dem Außeneinsatz als absolutes Highlight. Ein Muss für alle, die schon Fans von Gerst, Maurer und Co sind, aber auch für alle anderen, die Lust auf einen sehr persönlichen Bericht haben, um dabei gerne für eine kurze Zeit fast zum Crewmitglied der ISS zu werden - so sehr nimmt einen die Geschichte ein.

Petra Reski ist im Ruhrgebiet geboren und lebt seit 1991 in Venedig. Sie beleuchtet in kurzen Kapiteln das Leben in Venedig von ganz vielen unterschiedlichen Seiten. Es geht zum Beispiel um bekannte Themen wie den Tourismus, unter dem die Stadt schier erstickt und um die schwierige politische Lage dort. Sie berichtet, wie sie sich einer Bürgerinitiative anschließt um die Neuwahl des Bürgermeisters zu verhindern und die Unabhängigkeit vom Festland zu erreichen.

Im Herbst 1946 liegt Nürnberg in Trümmern, im nahen Schloss Faber-Castell versammelt sich eine illustre Schar von internationalen Prozessberichterstattern, um über das Richten der Siegermächte über die deutschen Kriegsverbrecher die Welt zu unterrichten. Deutsche hatten kein Wohnrecht in diesem Schloss der Bleistift-Dynastie, und so quartierten sich Erika Mann als Amerikanerin, Willy Brandt als Norweger, Markus Wolf als Russe, Wolfgang Hildesheimer als in Palästina Überlebender ein.

Max Strohe ist Sternekoch in Berlin und vor zwei Jahren wurde ihm wegen seiner Aktion „Kochen für Helden“ während des Lockdowns das Bundesverdienstkreuz verliehen. Er führt das Restaurant Tulus Lotrek in Kreuzberg, auf dessen Karte momentan „juvenilferkel & boudin senfsauce & sauerkrautrahm“ oder „velouté von der artischocke zitronenschale & absinth brioche mit lavendelsirup gebacken gesalzene butter“ stehen, jeweils als Teil eines Menüs für 195 Euro (gefiltertes Wasser inbegriffen).

Im Sommer bin ich mit dem Interrail Ticket durch England und Wales gereist und habe von mittelalterlichen Burgen über die Royal Shakespeare Company bis zu Docks und Museen in Liverpool und viktorianischen Häusern in Bristol richtig viel gesehen. Und wenn man so aus dem Zugfenster schaut und die Landschaft an einem vorbei zieht, fragt man sich, wie Menschen dort wohl früher gelebt haben, wie sie von A nach B kamen, was sie beschäftigt hat, wie sie angezogen waren, was es zu essen gab, wie sie gewohnt haben und, und, und.

David Sedaris ist mit Abstand einer meiner Lieblingsautoren und als ich vor ein paar Jahren vor ihm stand, um mir nach einer Lesung ein Buch von ihm signieren zu lassen, kann man meine Nervosität wahrscheinlich nur mit der meiner Tochter vergleichen, wenn sie plötzlich Harry Styles begegnen würde. Leider klappt es aber irgendwie nicht, seine Texte so ins Deutsche zu übertragen, dass sie genauso klingen und wirken wie im Original, besonders seit Harry Rowohlt gestorben ist, der seine älteren Bücher übersetzt hat.

Detailliert recherchiert erleben wir Aufstieg – und Absturz – der Einwandererfamilie Sackler, die bereits in der zweiten Generation vor allem durch übergroßes, gezieltes Mäzenatentum sich unsterblich machen will.